Habitatdefizite

Aufgrund ihrer hohen ökologischen Ansprüche und des komplexen Lebenszyklus sind Großmuscheln in vielfältiger Weise mit ihrer Umgebung vernetzt. Dies führt wiederum zu einer Vielzahl an möglichen Habitatdefiziten, die häufig gleichzeitig auf die Populationen einwirken.

Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera)

Neben Faktoren wie der Gewässerverschmutzung, dem Wirtsfischmangel oder dem Gewässerverbau wurde eine mangelnde Substratqualität aufgrund überhöhter Feinsedimenteinträge als Hauptdefizit in Flussperlmuschelgewässern identifiziert. Die Feinsedimente stammen von intensiv genutzten erosionsanfälligen Flächen in den Einzugsgebieten der Gewässer und werden vor allem bei Starkregenereignissen mobilisiert und in die Bäche und Flüsse gespült. Dabei können z.B. über Dränagen oder Seitengräben nicht nur Sedimente von unmittelbar angrenzenden, sondern auch von kilometerweit entfernten Flächen in die Gewässer gelangen. Dort verfüllt das Feinsediment dann das Kieslückensystem, in dem die Jungmuscheln heranwachsen. Dadurch werden die wenige Millimeter großen Jungmuscheln von der Nahrungs- und Sauerstoffzufuhr aus dem Freiwasser abgeschnitten und verenden.

Erosionsrinne in einem Maisacker
Schwemmtrichter eines kleinen Seitengrabens der Großen Ohe
Stark verschlammter Abschnitt eines Flussperlmuschelgewässers

Klimawandel als zusätzliche Belastung

Ausgetrockneter Bach

Ausgetrockneter Bach

Ein weiterer Faktor, dessen Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen wird, ist der Klimawandel. Ein Resultat sind häufiger ausgetrocknete Bäche nach Hitzeperioden, die die Muschelbestände unmittelbar gefährden.

Die langfristig möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Flussperlmuschel sind jedoch bisher nur unzureichend erforscht und somit auch in Schutzkonzepten kaum berücksichtigt. Diesem Forschungsbedarf trägt das Projekt ArKoNaVera umfangreich Rechnung. Konkret wird hierfür die Toleranz der Zielorganismen gegenüber klimarelevanten Stressoren (Temperatur, hydrologische Extremereignisse) untersucht. Die Ergebnisse fließen dann in die Datenbanken und Modelle, die neu entwickelt werden, ein.

Malermuschel (Unio pictorum)

Über die ökologischen Ansprüche der Malermuschel liegen bisher nur rudimentäre Kenntnisse vor. Dadurch sind auch die bedeutendsten Habitatdefizite nur lückenhaft bekannt. Zwar ist davon auszugehen, dass es sich um ähnliche Faktoren wie bei der Flussperlmuschel handelt. Jüngste Forschungsergebnisse über die Bachmuschel (Unio crassus) haben in Relation zum Wissen über die Flussperlmuschel jedoch gezeigt, dass sich Erkenntnisse zu einer Art nicht direkt auf andere Muschelarten übertragen lassen. Grund ist, dass die ökologischen Valenzen, also die Reaktionsbreite einer Art auf einen Umweltfaktor, zwischen den Arten sehr variieren können. Daher wirken sich auch Habitatdefizite sehr unterschiedlich aus. Im Projekt folglich erst die ökologischen Ansprüche der Malermuschel erforscht. Darauf aufbauend werden entscheidende Habitatdefizite identifiziert und Schutzkonzepte entwickelt.